Mit 14 Jahren ist Elis Klemer aus Münsingen einer der derzeit jüngsten Segelfliegerschüler in ganz Deutschland. Erste Alleinflüge mit weicher Landung und anschließendem Fliegerritual auf dem Flugplatz Münsingen-Eisberg
Münsingen. „Richtig und fest angeschnallt? Frequenz und Lautstärke des Funkgeräts geprüft? Auf Startunterbrechung vorbereitet?“, so ging Elis Klemer seine Checkliste im Segelflugzeug durch. „Jetzt machst du einen Start alleine, ohne mich“, war die Anweisung des Fluglehrers. Der Fluglehrer hieß an diesem Tag Uli Schwenk, amtierender Vizeweltmeister im Segelfliegen und ehrenamtlicher Fluglehrer im Luftsportverein Münsingen-Eisberg. Nach über 40 Starts und Flügen mit Fluglehrern war nun der Augenblick gekommen, auf den jeder Pilot wartet: Der erste Alleinflug! Der 14-Jährige schnallte sich an, machte die Haube zu und klinkte das Schleppseil ein, das das ziehende Motorflugzeug, genannt Schleppflugzeug, mit dem Segelflugzeug verbindet. Uli Schwenk hielt den Flügel und hob den Arm, ein Zeichen für den speziell ausgebildeten Schlepp-Piloten Philipp Ilg, dass er langsam anschleppen konnte, bis das Seil sich spannt. Dann war der Moment gekommen, der Arm senkte sich auf die drei Uhr Position und der Schlepppilot gab Vollgas. Der Motor der ziehenden weißen Ultraleichtmaschine „WT9 Dynamic“ brummt auf und es ging los… Die zwei Flugzeuge rollen an, hoben schon nach etwa 200 bis 300 

Metern ab und flogen in den Himmel.
Das Hochziehen des Segelfliegers, der sogenannte „Schlepp“, dauerte nur etwa fünf Minuten, dann klinkte Elis Klemer aus und flog nun allein wieder in Richtung Flugplatz. Ein besonderes Gefühl für den Jungpiloten! Seit er 9 Jahre alt ist, kam Elis Klemer regelmäßig auf den Flugplatz und durfte auch schon häufig mitfliegen. In diesem Sommer konnte er nun vorne auf dem Pilotensitz Platz nehmen und mit Fluglehrer hinten drin „schulen“, also Flugunterricht nehmen. Jetzt ist er alleine im Flugzeug, ein besonderes Etappenziel. Nach kurzer Zeit hatte der Jungpilot noch eine Höhe von etwas mehr als 250 Meter über dem Flugplatz und so flog er noch einen Kreis, der ihn auf etwa 200 Meter brachte. Anschließend drehte er sich, wie häufig vorher geübt, korrekt in den Gegenanflug, was bedeutet, dass man parallel zur Landebahn fliegt. Dort meldete Elis Klemer regelgerecht per Funk: „Die Delta-2135 ist im rechten Gegenanflug auf die 08“….für Laien heißt das, dass sich der Pilot beim Flugleiter (also dem Fluglotsen des Flugplatzes) mit seiner Flugzeugkennung D-2135 meldet, und mit der Zahl „08“ die gewünschte Landerichtung (Landebahnrichtung 80 Grad, also Richtung Münsingen), durchgibt. Danach erhöhte Elis Klemer seine Geschwindigkeit ein wenig, sodass er, wie gefordert, etwa 90 Km/h schnell war und ließ den Flugplatz etwas rechts hinter sich liegen. Jetzt flog er eine 90 Grad Kurve. Er drehte in das letzte Stück ein, das sogenannte Endteil des Landeanflugs.
Da er noch etwas zu hoch war, nutzte er seine Bremsklappen, um Höhe zu verlieren. Anschließend flog er über die quer zur Landebahn verlaufende weiße Markierung, setzte „butterweich“ auf und kam nach etwa 100 Metern zum Stehen. Elis Klemer stieg mit einem großen Lächeln auf dem Gesicht aus dem Flugzeug. Den Eltern fielen natürlich auch ein paar Steine vom Herzen: „Ja, ich gebe gerne zu, dass ich feuchte Hände hatte und aufgeregt war,“ sagte Andrea Klemer, Elis Mutter, nachdem sie ihm gratuliert hatte. Einige Helfer kamen gelaufen, um das blau-weiße Segelflugzeug des Modells ASK13 zurück zum Start zu schieben. Der Alleinflug zählt offiziell erst nach dem dritten Alleinflug als „bestanden“. Der frisch gebackene Pilot stieg also gleich wieder ein und startete und landete noch zweimal ohne Probleme.
Nach dem letzten Alleinflug gratulierten ihm seine Fluglehrer, die ihn bisher geschult haben, sein Ausbildungsleiter Jürgen Kleber, weitere Piloten, Mitglieder und Wegbegleiter des Vereins und natürlich seine stolze Eltern, Andrea und Michael Klemer, sowie die jüngere Schwester Lavinia. Dann folgte das Erstflug-Fliegerritual der Segelfliegerpiloten, das darin besteht, einen Dornen- und Brennesselstrauß überreicht zu bekommen, sinnbildlich dafür, um später den Steuerknüppel mit der notwendigen Sensibilität und Achtsamkeit in der Hand zu halten.
Zusätzlich bekommt man von allen Anwesenden einen Klapps auf den „Hintern“… Letzteres damit man zukünftig mehr Gefühl für das Fliegen mitbringt, z.B. um die Thermik besser zu spüren. „Diese Feinfühligkeit macht einen guten Piloten aus: Sinne nutzen, wahrnehmen, fühlen und sehen“, erläutert Fluglehrer Uli Schwenk dieses Ritual und ergänzt „Die Feinfühligkeit wird besonders beim Segelfliegen geschult, wo es keinen Lärm und keine motorenbedingte Vibrationen gibt.“ Gerade beim Segelfliegen ist daher das „Eins werden“ mit der Natur im Himmel möglich. Der erste Alleinflug ist wohl für jeden Piloten der wichtigste Tag in seiner Fliegerkarriere, an den er sich sein ganzes Leben lang erinnern wird. Niemanden mehr als sich selbst im Flugzeug zu haben, vollkommen frei im Himmel zu schweben und eine scheinbar grenzenlose Freiheit zu spüren, ist ein unvergleichliches Gefühl!
Für Elis Klemer, Schüler einer 9. Klasse an der Gustav-Mesmer-Realschule in Münsingen, heißt es nun aber erstmal, über den Winter Theorie für die anstehenden Prüfungen zu lernen und in der Werkstatt mitzuhelfen die Flugzeuge zu warten. Mit 16 Jahren kann ihm dann bei Bestehen aller Prüfungen der Segelflugschein ausgestellt werden. Gefragt nach seinem Berufswunsch sagt er „Natürlich Fluglotse oder Pilot!“… was bei so einem besonderen Hobby wahrlich nicht überrascht!
Bericht: Elis Klemer

